In meinem Kurzkommentar zum Web 2.0 habe ich das Thema bereits angedeutet, wenn auch noch sehr oberflächlich. Aber die Frage, nach dem „Leben der Zukunft“, dem wohl immer digitaleren Leben, und vor allem dessen Grenzen, drängen sich (zumindest mir) zunehmend auf. Es ist geradezu unglaublich, welche Möglichkeiten das Internet für den Menschen geschaffen hat, wie Prozesse beschleunigt werden, Kapazitäten steigen und der Mensch nicht erst seit gestern die begrenzende Kante im Flussdiagramm darstellt. Doch durch die Verlagerung des aktiven Lebens, des „daily business“, ins Internet, verändert sich nicht nur die Prozessbearbeitungszeit – wir tranformieren unsere Identität des „real life“ in eine des „digital life“. Das Empfinden dieser neuen Identität war bislang sehr nüchtern, kühl, ja geradezu anonym. Doch auch das wird sich verändern (müssen?).
Viele wogen sich noch vor kurzem im Gedanken, dass der Besuch von Internetseiten ohne Spuren bliebe. Ein mancher ging sogar davon aus, dass der Einkauf im Netz keine Folgen mit sich brächte. Spätestens seitdem der Begriff „IP“ mit der Einführung des neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung im November 2007 durch die Medien wanderte, ist uns dieser Trugschluss bewusst. Zwar war auch dort das Geschrei der Datenschützer wieder groß, die Privatsphäre wäre in größter Gefahr, doch wenn ich in einen Einkaufsladen marschiere, beschwere ich mich doch auch nicht, dass zu meiner eigenen Sicherheit (und natürlich der des Personals) eine Ãœberwachung der Verkaufsräume per Kamera erfolgt und ein entsprechendes Aufzeichnungsgerät nachgeschaltet ist, das temporär Aufzeichnungen meiner Aufenthaltsorte anfertigt.
Online-Communities sind dabei schließlich ein weiterer Punkt, der vor allem in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erfahren hat und nunmehr als ein standfestes Kriterium des Web 2.0 gelten. Kontaktaufnahme läuft nicht länger über das Telefonbuch als Vermittler, die Freundschaften werden im geschäftigen Leben zunehmend online gepflegt. Neben den neuen Kommunikationsmedien der ersten Stunde (Email, Instant Messaging oder IRC) haben sich nun Online-Gemeinschaften etabliert, welche es ermöglichen sowohl die eigenen Kontakte zu managen, als auch neue zu knüpfen. Eine Art „Onlinekneipe“ – mit laufendem Webradio vielleicht sogar „Onlinedisco“ 😉 – ist geboren.
Sprechen ist out, schreiben ist in; was mit der SMS began wird durch den Chat auf die Spitze getrieben. Hierbei haben die User der meisten Communities die Möglichkeit, über ihr eigenes Profil persönliche Daten zu veröffentlichen, sich den anderen Usern vorzustellen, sich zu präsentieren. Manche Menschen sehen dies als willkommene Gelegenheit, sich endlich auszuleben. Sich den anderen so zu zeigen, wie sie es im richtigen Leben niemals im Stande wären zu tun. Wieder andere wollen war Teil einer solchen Gemeinschaft sein, legen jedoch Spaßprofile an, verdecken ihre Identität durch falsche Namen.
Und wieder sind es die Datenschützer, die zu solchen Aktionen aufriefen. „Persönliche Daten gehören nicht ins Netz!“ – leuchtet mir ein. Aber wieso werden dann plötzlich sogar die Namen geändert, wie es nach Einführen der neuen Werbestrategie bei StudiVZ 2007 der Fall war? Würde ich auch meinen Namen vom Briefkasten und der Klingel kratzen, nur damit ich keine Werbeprospekte mehr empfange? Und noch viel interessanter die Frage: Haben die Leute, die mit solch falschem Namen in Communities unterwegs sind, auch Probleme damit, dass die eigene Telefonnummer im Telefonbuch steht? Ist es der Datenschutz der sie treibt, oder handelt es sich dabei schon vielmehr um soziophobe Ansätze?
Meiner Meinung nach hat sich die Gesellschaft mitsamt den staatlichen Regulativen noch lange nicht an das neue Leben gewöhnt. Es ist sogar sehr fraglich, ob es jemals möglich sein wird, zu akzeptieren, dass die moderne Art des Lebens zum großen Teil vor Bildschirmen stattfindet. Fakt ist jedoch, dass sich das Leben im Netz gar nicht so datenschutz-schrecklich viel vom realen Leben unterscheidet. Es scheint vielmehr das nüchtern-technische, das kühl-berechnende und das anonym-maschinelle zu sein, wovor sich viele Menschen fürchten. Klassisches Beispiel ist hier eben auch der Unterschied Kamera / Wachmann, der mir ebenso nicht ganz klar wird. Aber eben das ist der Punkt: Es geht um Furcht, es geht um Vertrauen, um Sicherheitsgefühl, allgemein um Emotionen.
Und Emotionen sind nunmal menschlich. Bis eine Maschine dann tatsächlich zum Menschen oder ein Mensch zur Maschine wird, fließt dann doch noch sehr viel Wasser die Donau hinab.