Einreisebehinderungen für Xinjiang

Gut fünf Wochen dauerte sie, die Erteilung meines Visums für die Einreise nach Xinjiang/China. Denn was weder Auswärtiges Amt noch die Deutsche Botschaft in Peking wussten: Für Individualtouristen (aus Deutschland) wird für die Einreise in diese Gegend eine Art Sondergenehmigung benötigt. Das weiß ich inzwischen, doch das Auswärtige Amt weiß es – zumindest offiziell – noch immer nicht. Es folgt eine Zusammenfassung der für deutsche Reisende durchaus verwirrenden, aktuellen Situation bezüglich der Einreise nach Xinjiang und die Frage, wieso Transparenz von offizieller Seite vermieden wird.

Die Einreisebedingungen nach China sind für deutsche Staatsangehörige – so wie für alle anderen Bürger der Staaten des Schengen-Gebiets – per se nicht übermäßig einfach gestaltet: Für den Antrag müssen Buchungsbestätigungen für sämtliche Flüge (inklusive Inlandsflüge), Buchungsbestätigungen für alle Übernachtungen sowie ein Antrag eingereicht werden, in welchem u.a. die persönliche Reisehistorie der letzten 12 Monate sowie die persönlichen Daten der engsten Angehörigen abgefragt werden. Doch das war ich schon von meinem ersten China-Aufenthalt gewohnt und auch die möglichen Probleme bei der Verlängerung eines Aufenthaltsvisums vor Ort sind mir nicht neu. Neu war mir jedoch, wie in diesem Fall verfahren wurde.

Mein erster Versuch der Beantragung eines Visums für die Einreise nach Xinjiang über Urumqi (per Flugzeug) wurde am 23. Juli 2013 wie folgt von meiner Visumsagentur Visaexpress beantwortet:

„Sehr geehrter Herr Grathwohl,

leider wurde Ihr Visa-Antrag heute nicht von der chinesischen Botschaft akzeptiert, da Sie nach Xinjiang reisen möchten. Dies ist ein autonomes Gebiet und verlangt eine Sondergenehmigung ähnlich wie Tibet. Sie können das Visum also nur beantragen wenn Sie eine Einreisegenehmigung eines chinesischen Reiseveranstalters vorweisen können.

Mit freundlichen Grüßen
XY“

Doch von dieser Regelung ist auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes zu den Reise- und Sicherheitshinweisen zu China bis heute (27.08.2013) nichts zu lesen; lediglich auf mögliche Einreisebeschränkungen nach Tibet wird hingewiesen (siehe Abb. unten).

Screenshot

Die telefonische Nachfrage beim Auswärtigen Amt ergab ebenfalls keine Aufklärung: Es ist nicht bekannt, dass eine Sondergenehmigung o.ä. für die Einreise nach Xinjiang notwendig wären. Auf Nachfrage per E-Mail beim dort zuständigen Referat 341 für Ostasien wurde mir schließlich folgendes mitgeteilt:

„Sehr geehrter Herr Grathwohl,

vielen Dank für Ihre Email vom 23.07.2013.

Aufgrund Ihrer Anfrage hat die Deutsche Botschaft Peking – unter explizitem Verweis auf konkrete Nachfragen aus Deutschland – beim Außenamt der Provinz Xinjiang angefragt. Die Botschaft erhielt die Antwort, es gäbe für Xinjiang keine Einschränkungen bei der Einreise in die Provinz, keine Bindungen an spezielle Reisebüros und keine erforderlichen Sondergenehmigungen.

Auch auf der Website des chinesischen Botschaft finden sich zu einer evtl. Sondergenehmigung für Xinjiang  keine Informationen.[…]

Mit freundlichen Grüßen
YZ“

Die Nachfrage bei der Konsularabteilung der Chinesischen Botschaft in Berlin konnte die Information der Visumsagentur aber schließlich bestätigen: Keine Individualtouristen ohne offizielle Einladung. Eine solche Einladung könne nur durch einen chinesischen Reiseveranstalter beantragt werden. Punkt.

Nachdem mein Visum mit dieser Begründung beim ersten Versuch der Beantragung abgelehnt wurde, suchte ich mir einen chinesischen Reiseveranstalter und wurde – wie sich herausstellen sollte – auf www.kashgarguide.com fündig. Für den zweiten Versuch der Visumsbeantragung wurde dann ein „Company Letter“ (siehe Abb. unten) des uigurischen Reiseveranstalters – sein Name ist Imam – eingereicht, den dieser – nachdem er die Zahlung eines dreistelligen Euro-Betrages per Auslandsüberweisung von mir erhielt – erstellte. Natürlich fehlte darauf auch der bei Chinesen beliebte Stempel nicht: in roter Farbe, mit Stern in der Mitte und in Kreisform – ganz Chinesisch eben!

20130726_Company Letter geschwärtzt

Denn nach Auskunft anderer chinesischer Reiseanbieter handelte es sich bei Tashkurgan, einem Zwischenstop auf unserer Reise, um ein Gebiet mit militärischen Sonderzonen, weshalb für diesen Abschnitt der Reise eine geführte Tour gebucht werden müsse:

„Dear Marius:

[…]I found during some days , the description of your program at Tashkurghan are not so clear, and Tashkurghan has military area which is a special place.  […]“

Der zweite Versuch der Visumsbeantragung schlug jedoch ebenfalls fehl, der Company Letter war der chinesischen Botschaft Berlin nicht genug. Erst jetzt wurde mir ein Muster einer Sondergenehmigung gezeigt, wie es auszusehen habe (siehe Abb. unten).

vorlage invitation

Dieses sendete ich zur Information wieder an das Auswärtige Amt, welches diese Sondergenehmigung zwar zu kennen schien, aber für unsere Zwecke als nicht relevant erachtete:

„Sehr geehrter Herr Grathwohl,

nach Rücksprache mit unserer Botschaft in Peking handelt es sich bei dem Dokument, welches Sie uns mit der letzten Mail übermittelt hatten, um ein tatsächlich erforderliches Formular für die Einreise ausländischer Experten. Dieses ist aber nur für die Einholung von Expertenvisa erforderlich – nicht für touristische Reisen. Soweit ich verstanden hatte, planen Sie eine touristische Reise, d.h. dieses Formular wäre für Sie nicht relevant. […]“

Imam hingegen konnte mit dem Muster etwas anfangen und übersandte uns – nach über zwei Wochen Wartezeit – schließlich und endlich das offizielle Einschladungsschreiben, das von den chinesischen Behörden gefordert wurde (siehe Abb. unten).

Invitation Letter Individual Visa geschwärzt

Erst beim vierten Versuch das Visum zu beantragen, wurde der Antrag von der Chinesischen Botschaft Berlin entgegen genommen und bearbeitet. Mein Visum erhielt ich schließlich am 26. August 2013 zugestellt.

Nachdem ich das Auswärtige Amt nochmals rückwirkend über den Ablauf meines Falls informierte, bedankte man sich vielmals für die Informationen, die dem Amt so nicht vorlägen. Man versicherte mir, dass man diese Informationen sobald wie möglich auf die Internetseiten des AA einpflegen würde. Weiterhin wäre es bekannt, dass die offiziellen Informationen seitens der chinesischen Behörden oftmals nicht mit der konsularischen Praxis übereinstimmten.

Inzwischen ist sogar der Hannover Flughafen besser informiert informativer als das Auswärtige Amt, denn dort wird bereits auf die Notwendigkeit einer offiziellen Einladung für die Einreise nach Xinjiang hingewiesen.

Zur Region: Xinjiang zählt zu den von westlichen Touristen weniger viel bereisten Gebieten Chinas und machte in letzter Zeit leider auch vermehrt durch gewaltsame Ausschreitungen auf sich aufmerksam. Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen den dort beheimateten Uiguren und Han-Chinesen bzw. den chinesischen Behörden. Die schlimmsten Auseinandersetzungen gab es zuletzt 2009 mit über 180 Toten. Jüngste Ereignisse der letzten Monate hatten wiederholt Dutzende Tote zu beklagen (z.B. im April, Juli, August). Dies veranlasste die Chinesische Regierung offensichtlich zur Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in der Region – inklusive der Einführung von Einreisebeschränkungen, die bald denen in Tibet ähneln.

 

Nachtrag vom 25.09.2013:
Inzwischen sind wir wieder von unserer Xinjiang-Reise zurückgekehrt. Vor Ort haben Gespräche mit anderen EU-Bürgern ergeben, dass diese dieselben Schwierigkeiten bei der Erteilung eines Visums hatten, sofern Städte in Xinjiang im Reiseverlauf angegeben waren. Die Sondergenehmigung mussten wir jedoch im Land selbst nirgends wo mehr vorzeigen, weder am Flughafen noch bei sonstigen Kontrollen. Das hat uns insbesondere deshalb überrascht, weil wir aufgrund einer Flugverspätung über Peking und nicht wie ursprünglich geplant  (und im Visaantrag angegeben) via Astana über Urumqi einreisen mussten.

Eine unkomplizierte Alternative zur Erteilung des Visums ist nach Aussagen anderer Reisender die Einreichung eines „erdachten“ Reiseverlaufs inklusive der Einreise über eine andere Stadt. Beispielsweise kann ein Reiseplan für Peking und Umgebung erstellt werden, wobei alle Hotels und Flüge gebucht und die Bestätigungen zur Erteilung des Visums eingereicht werden müssen. Sobald das Visum dann erteilt wurde, können die Hotels storniert werden und über einen zusätzlichen Inlandsflug ab Peking kann die Reise nach Xinjiang beginnen.

Achtung: Für diese Hinweise wird keine Haftung o.ä. übernommen, sie sind ohne Gewähr und schließen selbstverständlich nicht aus, dass es ggf. Ärger mit chinesischen Behörden geben kann, sofern diese Kenntnis von dem Umstand erhalten.

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